Buurtzorg: Ein Pflegedienst ändert alles

Veröffentlicht am: 28. Februar 2017 von Andreas Klein

„Menschlichkeit vor Bürokratie“ – mit dieser Ausrichtung wälzt Buurtzorg die holländische Pflegelandschaft um

Wenn Anerkennung, Sinn und Perspektive fehlen, macht der Beruf keine Freude, sondern im schlimmsten Fall sogar krank. In jedem Fall leidet die Qualität. Das gilt im besonderen Maße für die Pflege. Hohe Fluktuation ist nur eine der Konsequenzen. Und wir alle wissen: Es wird immer schwieriger, neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Der phänomenale Erfolg des holländischen Pflegeunternehmens Buurtzorg zeigt, dass es ganz anders geht.

Buurtzorg bedeutet auf deutsch soviel wie Nachbarschaftshilfe. Rückblick 2007: Auch in Holland war das Pflegeleistungs- und Abrechnungssystem rein handgriff- und stoppuhr-orientiert, personell stark zergliedert und gerade deshalb wenig effektiv. Dem Beruf war – wie in Deutschland – seine Berufung abhanden gekommen; und damit motivierte, zufriedene Pflegende und die Qualität der Pflege.

Jos de Blok trat mit 2007 mit 4 Pflegefachkräften an, alles zu ändern. Seine Idee mit Buurtzorg: Alle Rahmenbedingungen schaffen, damit die Pflegenden ihre Arbeit so tun können, wie sie sie lieben. Die einfache Überzeugung: Glück und Zufriedenheit in der Arbeit wirkt sich auch entsprechend auf die Patienten und deren Angehörige aus.

Buurtzorg stellt dazu den Kern des Pflegeberufs wieder in den Mittelpunkt: Menschen zu verbinden. Das heißt: Wieder ganzheitliche Pflege und Betreuung statt zerfaserte Spezialdisziplinen und Minutentakte. Die Pflegenden arbeiten für das Wohl des Menschen  und nicht für die Gewinnmaximierung eines Unternehmens.

Persönlich und professionell, das ist die Richtschnur. Das Buurtzorg Modell zeichnet sich dazu durch viele Besonderheiten aus, z.B.:

  • Abbau von Bürokratie, Overhead-Kosten und Rechtfertigungszwang nach oben – durch sich selbst organisierende Teams. „Nurses don’t need management – they need each other“. Die Verantwortung wird in die Hände der Fachteams vor Ort gegeben. Diese bestehen mehrheitlich aus qualifizierten Pflegefachleuten.
  • Das Wohl der Patientinnen und Patienten steht im Mittelpunkt. Die Buurtzorg Pflegenden kümmern sich um den medizinischen und pflegerischen Bedarf, die langfristige Besserung und auch die persönlichen und sozialen Bedürfnisse. Zudem fördern die Pflegeteams auf positive Weise die Selbstfürsorge der Patienten.
  • Mit diesen Zielen wird jeweils von den Teams vor Ort ein individueller Pflegeplan aufgestellt, regelmäßig überprüft und angepasst.
  • Die Teams bauen in der Nachbarschaft und mit Angehörigen ein Netzwerk von Helfern auf.
  • Zudem werden die lokalen professionellen Stellen wie Hausarzt, Apotheke etc. mit in die Pflegestrategie eingebunden und koordiniert.
  • Ziel: So wenig Gesichter wie möglich; maximal zwei Pflegekräfte für alles. Außerdem 24/7 Betreuung. Damit ist ein enger persönlicher Kontakt gesichert, ebenso wird ein einheitlicher Wissensstand gefördert.

Ein zentrales Ziel ist es, dass die Patientin oder der Patient bald die größtmögliche Selbstständigkeit zurückgewinnt – und eben nicht die Gewinnmaximierung der beteiligten Unternehmen.

Der Erfolg dieses Ansatzes menschenverbindender, ganzheitlicher Pflege durch sich selbst organisierende Teams ist bahnbrechend: 10 Jahre nach dem Start arbeiten rund 10.000 Menschen für Buurtzorg in 1.000 Nachbarschaften. Das Unternehmen hat die höchste Patientenzufriedenheit von 305 Pflegeunternehmen und wurde wiederholt zum besten Arbeitgeber Hollands gewählt. Und die Finanzen? Staatlich beauftragte Wirtschaftsprüfer stellten im Vergleich zu anderen Anbietern höhere Produktivität und geringere fixe Kosten fest, sowie besonders geringen krankheitsbedingten Personalausfall.

Die Pflegeblogger werden hier häufiger zu interessanten Teilaspekten des Buurtzorg-Modells Bezug nehmen. Nicht zuletzt auf scheinbar weiche und ungewöhnliche Erfolgsfaktoren wie „Achtsame Kommunikation“, die aber zu ganz handfesten positiven Ergebnissen führen.

Was meinen Sie zu Buurtzorg? Brauchen wir ein deutsches Buurtzorg? Wir freuen uns auf Ihre Meinung.

Autor

Andreas Klein,  Initiator von „Die Pflegeblogger“ und geschäftsführender Gesellschafter von CareService
1 Kommentar

Anonymous

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Hallo Mete! Was für ein schönes Bild! Es strahlt das aus wofür wir da sind! Unsere Kunden zufrieden und glücklich machen! Du in Mülheim , ich in Düsseldorf, mit unseren tollen Teams! Wie Du weisst bin ich ja schon von Anfang an dabei! Fast 25 Jahre! Doch das macht keinen Unterschied! Wir lieben unseren Beruf der in den letzten Jahren so ins Hintertreffen gekommen ist! Schade, denn wir können so viel Liebe und Respekt geben! Und das bekommen wir zurück! Das tut einfach gut! Es war immer schön, doch seit einem Jahr arbeiten wir an der renaissance unseres Berufes um es noch besser zu machen ! Es macht einfach Spass und Freude das was wir gelernt haben wieder voll aufleben zu lassen! Es war zugegeben ein wenig angestaubt! Druck, Stress, Vor allem der Papierkram in den Akten wurde immer mehr! Jetzt ist Schluss damit, soweit es geht….. Zurück zu den Wurzeln!!!!!! Ich freue mich über unser gemeinsames neues Konzept! Es wird richtig gut werden!!!

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